Gefroren, dreckig & völlig überholt: Stadtschnee

Stadtschnee

Der Winter ist da, die Temperaturen nach den warmen Weihnachtstagen wider erwarten doch im Keller und nun liegt er da. Dieses weiße, gefrorene Etwas, das den Weg zu einer Rutschpartie macht und sich selbst nicht wirklich leiden kann: Der Stadtschnee.

Trostlos bedeckt er sporadisch die Bürgersteige, während er durch die brachiale Härte urbaner Schneeräumdienste auf den Autospuren bereits vollkommen beseitigt wurde. Innerhalb weniger Stunden nach seinem zauberhaften Bedecken der Straßenfluchten ist aus ihm ein dreckiger Brei geworden, über den sich nur noch Kleinkinder freuen, während sie sich mit den letzten Resten auf parkenden Autos traurige Miniaturschneemänner zu bauen versuchen und sich sehnsüchtig auf die wahre weiße Pracht ländlicher Wiesenfelder träumen.

Ja, der Stadtschnee hat es nicht leicht. Denn niemand braucht ihn an einem Ort, an dem die Fortbewegung, die Mobilität des Einzelnen im Vordergrund steht. Die Stadt ist eben ein produktiver und effektiver Ort des Wanderns und Bewegens. Hindernisse werden hier nicht geduldet. Und so sieht die deutsche Ordnung vor, dass möglichst früh am morgen der Schnee mit all seinem Winterzauber von übermüdeten Familienvätern, die extra für diesen leidvollen Kehrprozess noch mal eine Stunde früher als sonst aufstehen mussten, weggeräumt wird.

Was übrig bleibt, ist der Mitleid des Großstadtromantikers, der nach einem idyllischen Platz im hiesigen Park sucht, um doch noch ein wenig von der Schönheit des Winters zu erleben. Doch auch er muss bald einsehen, dass selbst an diesen Ort kaum Schnee zu finden sein wird. All die Abgase, all die unterirdischen, warmen Tunnelsysteme und all die aufgeheizte Luft des großstädtischen Schmelztiegels verhindert ein langes Leben der viel zu dünnen Schneedecke.

Schalten wir für einen kurzen, rationalen Moment die romantische Gefühlslage runter und fragen uns: Brauchen wir Stadtschnee eigentlich? Nicht wirklich! Denn er stört tatsächlich und findet im Grunde auch keine Beachtung (wenn man von ein paar Schnee-verliebten Kindern absieht). Der Großstädter an sich sucht im Winter ohnehin nicht das Freie – er bleibt mit einer Decke um den Körper gewickelt und dicht an die Heizung gedrängt in seinen Häusern und Wohnung. Draußen im Großstadtdschungel gibt es sowieso nicht viel, dass sich im Winter zu besuchen lohnt. Allerhöchstens das nächste Café, das schon mit einem warmen Kakao auf einen warten.

Der Schnee und sein Freund der Winter haben halt keinen Platz in einer Stadt. Sie ist nicht ihr natürlicher Lebensraum. Und doch bleiben beide hartnäckig und kommen immer wieder. So viel Aufopferung, so viel Selbstvertrauen und Ehrgeiz hat nicht einmal der Sommer, der sich manchmal nur zaghaft aus seinem Sonnenrefugium traut.

Keine Frage: Der Stadtschnee zaubert kurze Momente der Freude in eine hektische Metropole, doch er hat hier keine lange Lebenszeit. Das ist traurig, aber für unser modernes Stadtleben ist er auch völlig überholt. Deswegen lieber Schnee, bleib dort, wo du besser aufgehoben bist: Auf Felder, Wiesen und in kleinen Dörfern. Hier kommen wir dich besuchen und fahren dafür sogar Kilometer weit, um dich und deine Pracht zu bestaunen. Denn du gehörst zu dieser Jahreszeit einfach dazu. Das wissen wir genau. Und vor allem, auch wenn du es kaum glauben magst, wissen auch wir Großstädter dich zu schätzen.

Pro: Contra:
– die Stadtluft wird rein

– ein kurze Moment winterlichem Zaubers

– eine magische Ruhe in einer brodelnden Stadt

– Rutschgefahr

– dreckiger Schnee durch Abgase & verdreckte Straßen

– Schneematsch unter den Schuhen

– Streusalzreste an Schuhen und Hosenrändern

– verspätete Straßenbahnen & Stadtstaus

FAZIT:
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