Zu alt für diesen Scheiß: Snapchat

Test_Snapchat

Alles begann mit einem Artikel über eine neue, hippe App für junge Menschen. Dort stand geschrieben, dass sich die nachwachsenden Generationen zwar im Internet aufhalte, aber kein Interesse an etablierten Social Media Netzwerken zeige. Facebook, Twitter ja sogar Instagram seien für sie uninteressant. Ihr Ding ist Snapchat, aber so etwas verstehen die Generationen ab 25 nicht mehr. Ich stockte…

„Moment mal!“, schrie im gleich Augenblick das im Stolz gekränkte, social-affine Herz in mir. „Es soll eine App geben, die Menschen ab einem Alter von 25 nicht mehr verstehen?“ Ich konnte kaum glauben, was ich da lese, immerhin gehörte ich doch zu der Generation, die als Erste mit dem Internet in unserer heutigen Form aufwuchs. Wenn es also eine Altersgruppe ohne Probleme verstehen sollte, dann wären es doch genau die „Generation Y“, die eingeborenen „Digital Natives“ unter den irdischen Ureinwohnern. Ich konnte diese Behauptung nicht auf mir sitzen lassen. Also beschloss ich, diesem Phänomen „Snapchat“ mal auf den Grund zu gehen.

Kaum hatte ich die App auf dem cleverem, kleinen, internetfähigem Telefon aka Smartphone installiert, stellte ich mit verduzten Augen fest: „Ich versteh es wirklich nicht.“ Aber nochmal von vorn: Was sehen wir hier, nachdem man sich angemeldet und verifiziert hat? Nach dem Start befindet man sich in einer typischen Kamera-Maske. Bereit zum Schuss des nächsten Selfies, wartet Snapchat auf eine Reaktion des verzweifelten Testaffens. Sollte die App etwa nicht mehr als eine weitere Kamera-App sein? Sowas hab ich doch schon unter den Standardprogrammen.

Was ist der Clou an Snapchat?
Der registrierte Nutzer kann Fotos aufnehmen, mit kurzen Textnachrichten versehen und an seine verknüpften Freunde verschicken, das wusste ich noch aus besagtem Artikel. So weit, so logisch. Schließlich kennen wir dies auch von den Pinnwänden auf Pinterest oder den Bildergalerien aus Instagram. Doch der eigentliche clevere Punkte an Snapchat ist, dass sich diese Inhalte, gleich einer Nachricht an Geheimagenten, nach 24 Stunden von selbst zerstören. Sie werden also wieder gelöscht und sind für immer aus dem Internet weg – außer einer der Empfänger sichert diese auf andere Art und Weise (etwa durch ein Schnappschuss des Handybildschirms).

Diese einzigartige Neuerung von gelöschtem Content ist aus der Unsicherheit heraus entstanden, dass wir als Internetnutzer zum gläsernen Menschen geworden sind. Allein die Daten, die Facebook über einen sammelt, sind erschreckend. Versucht man sich bei Snapchat hingegen an seinem ersten Bild, ohne überhaupt einen Freund hinzugefügt zu haben, verschwindet dieses im Äther. Verkehrte Welt, denn das Bild war noch nicht mal auf meinem Handy zu finden. Obendrein gibt es scheinbar keine Timeline, um zu überprüfen, ob das Bild erfolgreich online gegangen ist. Mal davon abgesehen muss man lange suchen, um überhaupt erst zu verstehen, wie man Freunde hinzufügt, die jene Bilder erhalten. Mein erstes Snapchat-Bild war folglich gleich nach der Entstehung zum Tode verurteilt, weil kein Empfänger vorhanden war – wer denkt sich bitte sowas aus?

Die Crux an Snapchat:
Nachdem ich mich mit der App näher beschäftigte, wurde mir klar, warum wir über 25-jährige Snapchat nicht verstehen können. Wir sind als Datensammler erzogen wurde, waren jahrzehntelang damit beschäftigt uns durch Bilder, Kommentare, Likes, Videos und Daten über persönliche Vorlieben, Hobbys, Berufe und anderer banaler Dinge eine Identität im World Wide Web aufzubauen. Wir haben uns daran gewöhnt, das Internet mit Inhalt zu füllen und haben uns so nicht selten eine zweite oder gar dritte Identität im Alltag aufgebaut. Snapchat tritt diese Art der persönlichen, digitalen Profilierung und Ego-Beweihräucherung mit Füßen, indem wir gar nicht erst die Möglichkeit erhalten, dieser angewöhnten Natur zu frönen.

Das Paradoxon Snapchat
Ich weiß gar nicht, ob ich diese App genial finden soll oder sofort wieder deinstallieren möchte. Denn Snapchat ist es gelungen, einen Weg zu finden, sich vom Rausch des Internets zu entgiften ohne Offline sein zu müssen. Gleichzeitig ist die App in seiner Funktion so sehr beschränkt, dass sie sehr schnell an Reiz verliert. Kurzes Bild, kleiner Text – soll es das gewesen sein?

Pro: Contra:
Inhalte sind nach 24 Stunden wieder aus dem Internet. Nur verknüpfte Freunde erhalten die Bilder. Dem Hobby-Datenschützer wird es freuen. Es gibt nur wenig Optionen. Alles ist sehr einfach und steril gehalten. Gerade der Einstieg ist schwer und unverständlich. Die App verliert schnell an Reiz.

FAZIT:
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